Insolvenzplanverfahren (Grundzüge)
1. Beim Insolvenzplanverfahren geht es im Unterschied zu den oben beschriebenen Option der Eigenverwaltung nicht in erster Linie darum, die Fortführung des Unternehmens durch die bisherigen Eigentümer zu ermöglichen. Unter Umständen kann ein Investor gefunden werden, der den Betrieb nach einer sog. ‚Übertragenden Sanierung’ als operative Wirtschaftseinheit weiterführt. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis liegt in den Händen eines vom Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalters.
2. In der Insolvenzordnung (InsO) ist ein Insolvenzplanverfahren als Sanierungsinstrument vorgesehen. Dieses gibt die Möglichkeit, von dem gesetzlichen Regelfall der Zerschlagung des insolventen Unternehmens im Rahmen der Insolvenzordnung abweichende Vereinbarungen festzulegen, die bei Bestätigung des Insolvenzplanes für alle Gläubiger des Unternehmens bindend sind.
Im Prinzip wird die Möglichkeit eröffnet, dass die Beteiligten auf der Grundlage der Gläubigerautonomie Insolvenzen flexibel und wirtschaftlich effektiv abwickeln können. Dazu können sie die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Masse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Verfahrens abweichend von den Vorschriften der Insolvenzordnung regeln.
Die für das Unternehmen und die Stakeholder mit dem Regelinsolvenzverfahren verbundenen Nachteile, nämlich
- Zerschlagung des Unternehmens
- Verlust von Arbeitsplätzen
- Erhebliche Forderungsausfälle der ungesicherten Forderungen, da i.d.R. keine Quoten auf Forderungen)
werden vermieden, so dass die Chancen eines Insolvenzplanes sich verbessern, wenn sich im Rahmen einer wirtschaftlichen Vergleichsrechnung ein wirtschaftlicher Vorteil für die Gläubiger ergibt.
Hinzu kommt, dass durch die im Insolvenzplanverfahren gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten die Chance besteht, einen Vergleichsvorschlag auch gegen den Willen einzelner Gläubiger (sog. Vergleichsstörer, die sich im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung gerne einen Sondervorteil zu Lasten der Gläubigergesamtheit verschaffen möchten) oder Gläubigergruppen gestützt auf die Mehrheit der Gläubiger durchzusetzen.
3. Das Insolvenzplanverfahren ist – was die Zielsetzung angeht – auf die Wiederherstellung der Ertragskraft des Unternehmens und auf die Befriedigung der Gläubigeransprüche aus künftigen Überschüssen gerichtet. Damit wird ermöglicht, im Interesse einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, der Erhaltung von Arbeitsplätzen und von volkswirtschaftlicher Substanz die Unternehmenssanierung zu erleichtern, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens u.U. nur über kostspielige Sozialpläne und komplizierte Umstrukturierungen und bei wohlwollendem Entgegenkommen aller Beteiligten (Arbeitnehmer, Kreditinstitute, sonstige Gläubiger, Gesellschafter/Eigner, Staat) zu verwirklichen ist.
4. Der Insolvenzplan selbst wird nach Aufbau und Inhalt gegliedert in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil (§ 219 InsO). Im darstellenden Teil des Insolvenzplans sind die Maßnahmen, die nach der Eröffnung des Verfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, zu erörtern, an die sich die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten anschließt. Dabei soll der darstellende Teil alle relevanten Daten zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Planes enthalten, da dieser die Grundlage für die Entscheidung der Gläubigerinnen und Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung bildet. Dies erfordert, dass im darstellenden Teil eine Analyse der Schwachstellen des Unternehmens sowie der in Aussicht genommenen Vermögensverteilung und Verwertung vorgenommen wird. Insbesondere ist darzulegen, ob das Unternehmen durch Liquidation, Sanierung des alten Rechtsträgers oder durch übertragende Sanierung oder durch eine andere Lösung verwertet werden soll und wie sich die geplanten Maßnahmen auf die Befriedigung der Gläubigerinnen und Gläubiger auswirken werden.
Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans (§ 221 InsO) ist darzustellen, inwiefern die Rechtsstellung der einzelnen Beteiligten durch den Plan geändert werden soll.
Dem Insolvenzplan sind gemäß §§ 229, 230 InsO Anlagen beizufügen, wenn die Gläubiger aus den Erträgen des fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen, und zwar:
- eine Planbilanz ( 229 InsO),
- eine Plan-Gewinn- und Plan-Verlustrechnung,
- eine zustimmende Erklärung des Schuldners, wenn es sich bei ihm um eine natürliche Person handelt und der Schuldner nach dem Plan das Unternehmen fortführen soll (§ 230 Abs. 1 InsO).
5. Die Umsetzung des Sanierungskonzeptes erfolgt durch die Bildung einer entsprechenden Anzahl von Gläubigergruppen nach sachlichen Kriterien, mit dem Ziel, dass die erforderliche Mehrheit der Gruppen für die Annahme des Insolvenzplanes erreicht wird . Dabei ist zu unterscheiden zwischen den
- absonderungsberechtigten Gläubigern, sofern in ihre Rechte eingegriffen werden soll,
- nicht nachrangige Insolvenzgläubiger,
- einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO), soweit ihre Forderungen nach der grundsätzlichen Regelung des 227 InsO nicht als erlassen gelten,
- Arbeitnehmern, wenn sie als Insolvenzgläubiger erhebliche Forderungen geltend gemacht haben.
Hierzu sehen die Vorschriften über das Insolvenzplanverfahren vor, dass die Gläubiger mit ihren Forderungen in Gruppen zusammengefasst werden und dann jeweils in den einzelnen Gläubigergruppen über die Annahme oder die Ablehnung des Planes abgestimmt wird. Dabei ist bei der Zuordnung auf die Rechtsstellung der Gläubiger abzustellen (§ 222 InsO).
Innerhalb der Gläubigergruppen können nochmals Untergruppen mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen gebildet werden (§ 222 Abs. 2 InsO). Notwendig ist, die Gruppen sachgerecht voneinander abzugrenzen. Die Kriterien für die Abgrenzung sind im Plan anzugeben (§ 222 Abs. 2 InsO). Innerhalb jeder Gläubigergruppe sind die beteiligten Gläubiger hinsichtlich ihrer Rechte gleich zu behandeln (§ 226 Abs. 1 InsO). Abweichungen davon sind nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässig. Sonderabkommen mit einzelnen Beteiligten über Sonderrechte, um ihre Zustimmung zum Insolvenzplan zu erreichen, sind nichtig (§ 226 Abs. 3 InsO).
Die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger können durch den Plan geändert werden. Im gestaltenden Teil ist anzugeben, um welchen Bruchteil die Rechte gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Weitere Regelungsmöglichkeiten sind u. a. in den §§ 259 Abs. 2, 263 und 264 Abs. 1 InsO enthalten.
Innerhalb der Gläubigergruppe muss die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmen und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubigerschaft mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger betragen (Kopf- und Summenmehrheit).
Stimmt die Mehrzahl der Gläubigergruppen für die Annahme des Insolvenzplanes, so kann die Zustimmung derjenigen Gläubigergruppen, die den Plan ablehnen, durch das Gericht ersetzt werden, sofern die Gläubiger bei Annahme des Insolvenzplanes wirtschaftlich besser gestellt werden, als im Fall der Regelabwicklung, d.h. der Zerschlagung des Unternehmens. Dies ist im Rahmen einer wirtschaftlichen Vergleichsrechnung zu ermitteln. Dabei wird das fiktive Ergebnis für die Gläubiger im Fall der Zerschlagung (Regelabwicklung) dem ermittelten Ergebnis bei Annahme des Insolvenzplanes gegenübergestellt. Der Verfasser des Insolvenzplanes hat bei der Bildung der Gläubigergruppen im Wesentlichen freie Hand. Die von ihm anzustellenden Erwägungen dürfen lediglich nicht grob missbräuchlich sein.
6. Der zeitliche Rahmen bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens sieht wie folgt aus: Im Erörterungs- und Abstimmungstermin, der sich an den Berichts- und Forderungsprüfungstermin anschließt, wird über die Annahme des Insolvenzplanes abgestimmt. In der Regel kann damit in ca. drei bis vier Monaten nach Verfahrenseröffnung über das Sanierungskonzept abgestimmt werden (Bestätigung des Insolvenzplanes). Sobald die Bestätigung des Insolvenzplanes rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
7. Überwachung und Erfüllung: Üblicherweise überwacht der bisherige Verwalter die Erfüllung des Insolvenzplanes (Zahlungen an die Gläubiger) als Sachwalter. Das Gericht beschließt über die Aufhebung der Überwachung, wenn die Ansprüche erfüllt oder deren Erfüllung gesichert ist oder aber seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens 3 Jahre verstrichen sind. Die Kosten der Überwachung trägt der Schuldner.
Sämtliche zu bildenden Gläubigergruppen erhalten in der Regel auf Ihre Forderungen eine Quote, wobei Mindestquoten gesetzlich nicht vorgeschrieben sind, und verzichten auf ihre Restforderung.